Arschlochtag
...und
es regnete weiter. Immer stärker. Dazu stürmte es. Währenddessen
sass ich in meinem Zelt und ass das Indianerfleisch, welches ich in
Hasle-Rüegsau von der Familie von Niek erhalten habe. Endlich konnte
ich ein wenig Schlaf finden. Jedoch nicht lange. Es tropfte überall
und es bildete sich ein kleiner See in meinem Zelt. Nach einer Weile
liess der Regen endlich nach. Mit jeder Stunde aber, wurde es kälter.
Ich konnte kaum eine Minute schlafen. Gegen Morgen lag ich mit drei
Schichten T-Shirts, einem Pullover und einer Jacke in meinem
Schlafsack und versuchte immer noch, Schlaf zu finden.
Der
nächste Tag war entscheidend für den weiteren Verlauf meiner Reise.
Ziemlich übermüdet, wartete ich am nächsten Tag bereits wieder mal
zwei Stunden am Strassenrand. Niemand wollte mich mitnehmen. Es
regnete immer wieder. Mal stärker, mal schwächer. Da konnte ich mir
oft schöneres vorstellen, als im Regen auf eine Mitfahrgelegenheit
zu warten. Die Person, welche mich dann endlich mitnahm, fragte mich,
ob ich nicht lieber mit dem Zug nach Nancy fahren möchte. Ich
erwiderte und Bestand darauf, bei der Autobahneinfahrt weiter zu
stoppen. Mein Wille, mein Ziel zu erreichen, war immer noch zu gross.
Ich wollte mir nicht eingestehen, dass es eine schlechte Idee war,
meinem Ziel weiter zu folgen. Ein Fehler! Nach zwei Stunden erneutem
Wartens im Regen, beschloss ich mich dann, trotzdem mit dem Zug nach
Nancy zu fahren. Der Tag hat als Arschlochtag angefangen und so ging
es auch weiter. In der eigentlich doch ziemlich grossen Stadt Nancy
war wegen des Karfreitags alles auf Sparflamme. Vor allem im
öffentlichen Verkehr lief nicht viel. So hatte ich zwei Stunden, bis
ich bei der Jugendherberge ankam. Mit Vorfreude auf eine Dusche und
ein normales Bett stand ich vor der geschlossenen Jugendherberge. Das
konnte jetzt echt nicht sein. Jugendherberge wegen Feiertags
geschlossen. Am liebsten hätte ich die Hütte angezündet. Warum um
Himmels Willen schliesst man eine Jugendherberge an einem Feiertag?
Auf jeden Fall habe ich mit den internationalen Jugendherbergen
definitiv abgeschlossen und werde diese, sofern möglich, auch nie
mehr besuchen. Nun wollte ich aus dem Arschlochtag noch das beste
herausholen und gönnte mir gleich ein Ticket nach Paris.
Auf der
Reise quer durch Frankreich war super Wetter. Dies zauberte mir
gleich ein Lächeln ins Gesicht. Tag gerettet. Denkste!! Kaum in
Paris angekommen, fing es an zu regnen. In strömendem Regen lief ich
von Hostel zu Hostel. Überall voll. Das Woodstock Hostel hatte dann
aber nach zwei Stunden Suche zum Glück noch ein Zimmer frei.
Es war
bereits halb eins, als ich mein erstes Bier geniessen konnte. Zu
diesem Zeitpunkt waren schon alle Hostelbesucher ausgeflogen. Ich
beschloss darum, selbst ein bisschen die Strassen von Paris unsicher
zu machen. Aus dem Arschlochtag sollte doch endlich noch etwas
positives raus kommen. So kam ich bei der ersten Bar an. Die Bar war
ziemlich voll. Die Besucher sahen meist aus wie Hipster. Bärte,
Schnäuze und Hornbrillen zierten deren Gesichter. Ich bestellte das
erste Bier. Irgendwie fand ich noch nicht den Kontakt zu den anderen
Barbesuchern. Es gab unter den feiernden jedoch ein richtiges
Alphatier, welches den Kontakt mit allen Besuchern zu pflegen mochte.
Die Chance nützte ich. Ich spendierte dem Typen den billigsten Shot.
Der Typ schätzte dies so, dass er mich sofort allen Personen im
Umkreis von drei Metern vorstellte. Trick hat funktioniert. Findest
du mal keinen Kontakt, spendierst du einfach dem grössten Alphatier
einen Shot und schon kennst du später jede Person. Wir feierten bis
die Bar die Tore schloss. Danach machten wir uns etwa zu zehnt auf
den Weg an eine Afterparty. Die eine Person, ein rund fünfzig
jähriger Sizilianer, auf irgend etwas, war bereits vorher ziemlich
komisch drauf. Auf dem Weg an die Afterparty jedoch tickte er
plötzlich völlig aus, weil er keine Zigaretten mehr hatte. Er
quatschte eine Person auf der Strasse an, ob er ihm eine Zigarette
geben könnte. Darauf erwiderte die fremde Person, sie rauche nicht.
Dann schlug der Sizilianer seine Faust in sein Gesicht. Mehrere
Passanten hielten ihn jedoch fest, so konnte schlimmeres verhindert
werden. Danach waren alle ziemlich geschockt und gingen nach Hause.
Der Tag startete als Arschlochtag und endete als Arschlochtag, es
konnte nur noch besser kommen.
Nach
diesem Tag hatte ich definitiv keine Lust mehr auf trampen,
Frankreich, Paris, oder sonst etwas. Meine Stimmung war am Boden. Es
musste sich was ändern. Das Trampen wollte ich auf keinen Fall
fortfahren. Da war mir die Zeit zu Schade, wartend am Strassenrand zu
stehen und nebenbei kaum was zu sehen. Frankreich zu bereisen kann
sehr schön sein. Vor allem kleinere Städte und Orte sind sehr
sehenswert. Ich werde Frankreich auf jeden Fall wieder bereisen.
Nächstes Mal aber mit einem ausgebauten Bus oder mit Auto und Zelt.
Hostels oder Jugendherbergen würde ich meiden. Das Velo wäre auch
ein gutes Fortbewegungsmittel. Dafür müsste man aber viel Zeit
einplanen, da Frankreich teilweise auch ziemlich hügelig sein kann.
Paris sollte man mit jemandem besuchen, der die Stadt bereits ein
wenig kennt, am besten mit Einheimischen.
Au revoir France, Hola España
Wie ging
es nun weiter? Ich erinnerte mich an die gute Zeit, die ich letzten
Mai in Gran Canaria hatte. Darum rief ich sofort meine Freunde aus
Barcelona um Rat. Raul teilte mir sofort mit, dass ich bei ihm
schlafen könnte. So war ich wenige Stunden später in Barcelona.
Endlich
war ich wieder Happy. Die Arschlochtage waren überwunden. Ich genoss
die Zeit mit meinen Freunden in Barcelona sehr. Fast genau ein Jahr
ist es nun her, als ich den Kollegenkreis von Helenas Ehemann
kennenlernen konnte. Es war interessant zu hören, was sich alles
geändert hat und wie sie das letzte Jahr verbracht haben. Die
Nachricht, dass ich Barcelona besuchte, verbreitete sich schnell. Am
Samstag trafen wir uns alle bei Tapas und Wein in einer Bar. Es war
schön zu sehen, wie mich alle gerne wieder sehen wollten.
So
verbrachte ich die letzten Tage in Barcelona mit Pinchos (bezahlst
einen kleinen Betrag und kriegst dafür ein Glas Wein oder Bier und
ein Tapa), Tapas (mit Aperohäppchen am besten zu beschreiben), Wein,
Bier, Sagrada Familia, von Aussichtspunkten die Stadt bestaunen, mehr
Tapas, Strand, Meer, hübsche Spanierinnen betrachten (es blieb beim
betrachten), die Freundlichkeit der Spanier, Unabhängigkeit der
Katalanen von Spanien und neuen Erkenntnissen. In Barcelona und immer
öfters in anderen Städten in Spanien wurde Cannabis legalisiert. Es
ist nun legal, zu Hause Cannabis zu rauchen. Auch auf der Strasse,
am Strand oder sonst wo wird das Rauchen von Cannabis geduldet.
Einzig der Handel mit Cannabis ist noch strafbar. Dafür gibt es neu
wie in Amsterdam sogenannte Coffeeshops, wo man das Cannabis beziehen
kann. In Barcelona muss man aber Member sein, was sehr einfach ist.
Damit will man den illegalen Handel und die Kriminalität, welche
sich daraus ergibt, unterbinden. Man hat hier gemerkt, dass Cannabis
fester Bestandteil unter allen Bevölkerungsschichten geworden ist
und will als Beispiel vorangehen. Spätestens in einer Generation
wird die Legalisierung vermutlich überall in Europa Einzug nehmen.
Barcelona
gehört für mich zu den Städten, mit der grössten Lebensqualität,
welche ich bis jetzt besucht habe. Die Jobsituation ist der einzige
Nachteil. Es gibt viele Menschen ohne Job, vor allem Jugendliche.
Barcelona bietet sonst aber alles und die Bevölkerung ist sehr
offen. Nun bin ich auf dem Weg nach Valencia. Nächste
Zwischenstation vor Andalusien, wo ich dann vorhabe, länger zu
bleiben.