Donnerstag, 29. Januar 2015

Rückblick 2014 / Ein Tag im Iglu Dorf Gstaad

Iglu Dorf Gstaad 

Ich wohne nun seit Ende November 2014 in Saanenmöser bei Gstaad. Hier mache ich eine Wintersaison in dem Iglu Dorf Gstaad als Guide, Barman und Hausmeister. Sehr lange, genau genommen den ganzen Dezember, waren die Wetterbedingungen zu schlecht, um ein Iglu zu bauen, geschweige denn ein ganzes Iglu Dorf! Um mit dem Bau des Iglu Dorfes zu beginnen, benötigten wir einige Tage Minustemperaturen und Schnee. Im Dezember 2014 war das aber genau das Gegenteil. Zuerst gab es gar keinen Niederschlag. Später kam der Niederschlag aufgrund der hohen Temperaturen in Form von Regen, was sehr ungewohnt für die ganze Region Saanenland war. Die Prognosen sahen lange sehr schlecht aus, um mit dem Bau zu beginnen. Die ganze Hotellerie, die Bergbahnen und der Tourismus litten unter diesen Bedingungen.

Doch dann endlich kamen die kalten Temperaturen, gefolgt von ein wenig Schnee, Betonung auf ein wenig. Der Schnee fiel nur zögerlich vom Himmel. Es reichte dennoch, ein Iglu nach dem andern zu bauen. Normalerweise wird das ganze Iglu Dorf in einem Monat fertig gestellt. Aufgrund des grossen Zeitdrucks, musste das Iglu Dorf dieses Jahr aber so schnell wie möglich gebaut werden. Wir arbeiteten darum Tag und Nacht. Teilweise übernachteten wir auf dem Berg, um morgens um sechs mit dem Bau weiterzufahren. Muskelkater und Müdigkeit war das Resultat des vielen Arbeitens. Dennoch war es ein unbeschreibbares Erlebnis, bei dem Bau des Iglu Dorfes mitzuwirken.

Rückblick 2014

Das Jahr 2014 ging langsam zu Ende, die Sylvesternacht stand vor der Tür. Zeit für einen Rückblick auf das vergangene Jahr. Viel geschah während dem Jahr 2014 in dieser Welt. Naturkatastrophen, Kriege, Krankheiten und Revolutionen liessen die Welt erzittern. Klar, all diese Tragödien bewegen uns auf irgendwelche Art. Mich persönlich treffen solche Tragödien immer dann am meisten, wenn ich selbst Angehörige in den betroffenen Ländern habe oder schon selbst dort war. Im April 2014 besuchte ich meinen Freund Yoav in Tel Aviv, Israel. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina dauert nun seit vielen Jahren an. Mein Besuch in Israel im April 2014 war kurz vor dem Aufflammen neuer Spannungen. Kurz darauf wurde der Jahre andauernde Krieg erneut entflammt und es mussten wieder viele Menschen sterben. Die Strassen, in welchen ich im April noch unbekümmert mit einem Bier in der Hand an die Streetparty Purim lief, waren nun plötzlich leer und man musste im Juni 2014 mit ständigen Beschüssen der Hamas rechnen. Das israelische Militär antwortete mit schlimmen Vergeltungen. Die Angst in Israel war plötzlich wieder Allgegenwärtig. Im September 2014 besuchte ich meinen Freund René in Mexico an seiner Hochzeit und genoss sehr schöne Tage am Strand. Kurz darauf machte das Verschwinden von dreiundvierzig Studenten Schlagzeile. Dies bewegte die Menschen, auf die Strassen zu gehen, im Kampf gegen Korruption und Gewalt im eigenen Land, Mexico.

Für mich persönlich war das Jahr 2014 das erste Jahr nach meiner langen Reise, in dem ich mich nebst meinen Kurztrips ausschliesslich in der Schweiz aufhielt. Es war ein Jahr der Vorbereitung. Ein Jahr der Entscheidungen. Ein Jahr von Hochs und Tiefs. Ein Jahr der Geduld. Ich habe gearbeitet und gespart. Gespart für das, was danach kommen sollte. Es forderte Geduld. Geduld von meiner Seite und von Seiten meiner Freunde, Freundinnen und  Familie. Oft musste ich mir anhören „Ruck, reuts di?“, „Ruck wenn chaufsch der öpe en Charre?“, „Marc, wottsch ned wedermol en neui Jagge chaufe? Diä esch hässlech…“ – Ein Jahr später hatte ich noch immer kein Auto, habe dafür aber sehr viel Geld gespart. Die Jacke jedoch ist weg, gestohlen, verloren gegangen, keiner weiss es, Opfer einer ausgiebigen Partynacht, solls geben, war ja aus Sicht aussenstehender Personen sowiso hässlich.

Bereits während meiner langen Reise in Nord- und Zentralamerika war mir nicht klar, ob ich mit einem normalen Leben als Kaufmann überhaupt klarkommen konnte. Ich versuchte es dennoch. Eineinhalb Jahre habe ich es ausgehalten, meinen erlernten Beruf als Kaufmann zu bewältigen. Geduld war gefragt. Ich arbeitete ohne Tageslicht, die Luft war schlecht, ein typisches Grossraumbüro. Statt zusammen an einem Strick zu reissen um miteinander zu arbeiten, arbeitete man gegeneinander. Es gab diese Grüppchen. Es wurde herumgesprochen, was man nur konnte. Ich musste feststellen, dass man mich bereits kannte, bevor ich überhaupt angefangen habe, zu arbeiten. Facebook und social Media macht dies heute möglich. Einige Mitarbeiter wurden als Kommunikationsmittel zu den Chefs ausgenützt oder gebraucht. Bereits bei meiner letzten Arbeitsstelle lief es genau so ab. So war es nichts neues für mich. Doch irgendwann hatte ich genug von dem heimlichen Verbreiten von Gerüchten, der ständigen Überwachung durch Leute, die dann zur Chefin gingen, um zu erzählen, ich sei zu oft im Internet, dem ständigen Druck von oben, dem schlechten Arbeitsklima und, und, und…. Darauf hin habe ich gekündigt. Nun habe ich es wirklich satt, meinen erlernten Beruf weiterhin auszuüben und muss wohl neue spannende Herausforderungen suchen. Viele Personen können es wohl kaum verstehen, einen gut bezahlten Job hinzuschmeissen um eine neue Herausforderung zu finden. Ich musste zuerst selbst damit klarkommen. Ich befand mich in einem Tief und flüchtete mich in den Sport, was nicht allzu schlecht war. Fast jeden Tag konnte ich durch Sport wieder die Realität und meine Träume sehen und wusste, es wird wieder besser kommen.

Nun wohne ich seit geraumer Zeit in den Bergen in einem alten Holzchalet. Die automatische Abwaschmaschine gegen den Handabwasch getauscht, kein Internet, kein TV, kein eigenes Bad und kein eigenes WC. Doch ich bin sehr zufrieden damit und habe einen guten neuen Mitbewohner und sogleich Freund gefunden. Er kommt vom Emmental und bestreitet dieses Jahr seine dritte Wintersaison. Über meine zweite Mitbewohnerin will ich dabei kein Wort verlieren. Mein Mitbewohner und ich haben bei einigen Dingen unsere Differenzen mit ihr. Leider musste ich solche Differenzen bereits bei der letzten WG miterleben. So ist es halt, wenn man mit Menschen zusammen wohnt, die man vorher nicht kannte. Es kann eine sehr gute Erfahrung sein, aber man kann auch genau das Gegenteil davon erfahren. Ich finde es selbstverständlich, dass jeder dem anderen beim Abwasch und Haushalt hilft und teilweise auch eine gemeinsame Haushaltkasse führt. Lustige und auch ausgefallene Abende sollten dazu gehören. Menschen, die das nicht verstehen, sollten sich von WG’s fernhalten. Punkt.

Ein Tag im Iglu Dorf

In meinem letzten Blogeintrag beschrieb ich den tristen Tagesablauf, den ich in den letzten eineinhalb Jahren hatte. Nun komme ich zu meinem neuen Tagesablauf. Der Leser oder die Leserin darf sich dann Gedanken machen, was wohl mehr Spass macht. An einem normalen Arbeitstag an der Bar im Iglu wache ich um sechs Uhr fünfundvierzig auf, mache mir einen Kaffee, frühstücke, ziehe meine Skikleidung an und begebe mich zu Fuss auf meinen nicht ganz ungefährlichen Arbeitsweg der Hauptstrasse entlang. Nach zehn Minuten komme ich bei der Bergstation an. Es ist immer noch halb dunkel. Ich begebe mich in die Gondel und geniesse das tolle Bergpanorama, den Sonnenaufgang und die tolle Aussicht aufs Nebelmeer. Voraussetzung ist natürlich gutes Wetter. Sonst geniesse ich den Schneefall in vollen Zügen und freue mich auf den Pulverschnee. Oben angekommen steige ich auf meine Skis und fahre Richtung Iglu Dorf. Dort bereite ich die Bar auf den kommenden Tag vor. Meist geniesse ich dabei mit guter Mucke, also elektronischer Musik, das Bergpanorama. Schon bald folgen die ersten Gäste, die ich bewirten darf. Den ganzen Tag arbeite ich dann an der Bar, die Sonne scheint mir ins Gesicht und atme die frische Bergluft ein. Abends, wenn die Sonne langsam unter geht, bediene ich noch die letzten Gäste und geniesse den schönsten Sonnenuntergang, welcher man sich vorstellen kann. Unbeschreiblich. Dann, wenn die letzten Gäste den Heimweg antreten, verräume ich die Bar, mache den Tagesabschluss, kontaktiere den Pistenbully und fahre Nachts mit den Skis den Berg runter. Kein Mensch mehr auf der Piste. Unten angekommen gibt es noch einen Abschlussglühwein in der Après Ski Bar. Der Arbeitstag ist zu Ende. Es gibt wohl keinen schöneren Arbeitsplatz, als in den Bergen.

Neben der Arbeit, welche sehr viel Platz im letzten Monat eingenommen hat, habe ich viele Menschen kennengelernt. Dabei habe ich auch ein Mädchen aus Perú kennengelernt, welche hier in der Umgebung in einem Hotel ein Praktikum gemacht hat. Sie besuchte mich oft. Wir genossen die Zeit, welche wir zusammen hatten, in vollen Zügen. Doch leider kam der Tag, an dem sie wieder zurück in ihre Heimat musste. Der Abschied war nicht einfach. Doch ich erlebte für einmal das Gegenteil, welches ich beim Reisen oft mitmachen musste. Man lernt jemanden kennen, hat eine super Zeit, doch der Tag des Abschieds naht dennoch. So bleiben meist nur noch die Erinnerungen an die super Zeit, die man zusammen hatte. So ist das abwechslungsreiche, interessante Leben, wenn man es so gewählt hat, wie zum Beispiel ich. Es ist darum immer wichtig, den Augenblick zu geniessen und dann halt damit zu leben, dass der Augenblick wieder vorbei ist und wieder neue Erlebnisse folgen werden. Würde ich mein Leben nicht so leben, hätte ich heute immer noch einen Job, der mir nicht gefällt, keine neuen Erlebnisse überall auf der Welt gemacht und wäre nicht so glücklich, wie ich das heute bin. Darum empfehle ich jeder Person, welche nicht glücklich mit seiner Situation ist, etwas dagegen zu tun und sein Leben in eine völlig andere Richtung zu steuern.


Hier in den Bergen vom Saanenland werde ich bis April 2015 wohnen. Danach werde ich mich auf die nächste grosse Reise begeben, sofern diese nicht bereits mit meiner Entscheidung während des Jahres 2014 und meinem Entscheid, in den Bergen zu arbeiten, begonnen hat.